Das Missverständnis um Storypoints

Schätzen, Pokern und Aufwand

Um den voraussichtlichen Aufwand eines Product-Backlog-Items zu schätzen, verwenden viele Entwicklungsteams das Konzept der Storypoints. Es handelt sich um einen abstrakten, team-spezifischen Wert, der die Komplexität einer Aufgabe abbilden soll.

1. Fehler: Zeit statt Komplexität

Viele Teams machen bereits hier den Fehler und schätzen die Zeit ab, die sie vermutlich benötigen werden, dieses Item umzusetzen. Dies ist falsch: Geschätzt werden soll die Komplexität der Aufgabe.

2. Fehler: Kapazitätsplanung

Darauf aufbauend folgt der zweite Fehler: Die Storypoints, die in einem Sprint vom Entwicklungsteam umgesetzt werden, werden nun zur Kapazitätsplanung für die folgenden Iterationen herangezogen.

3. Fehler: Produktmanagement

Nun glaubt das Produktmanagement, mit den Storypoints einen Wert in der Hand zu haben, der es ihm ermöglicht, die Erreichung bestimmter zukünftiger Milestones zu berechnen. Willkommen zurück in der Welt der Wasserfall-Entwicklung,

Was Storypoints wirklich sind

Agile Softwareentwicklung stellt immer das Produkt und seine Inkremente in den Mittelpunkt. Das Produkt bringt den Wert für die Benutzer und damit letzlich dem Produkt-Eigentümer. Wie viel Zeit das Entwicklungsteam damit zugebracht hat, ist für die Qualität der Software völlig unerheblich.

Angenommen, das Entwicklungsteam war ein halbes Jahr damit beschäftigt, ein neues Feature zu implementieren. Bereits beim ersten Test stellt sich heraus, dass es ein grobes Missverständnis zwischen Product-Owner und Entwicklungsteam gab und das neue Feature garnicht das tut, was die Benutzer brauchen.

Ganz abgesehen, von der Frage, warum dies ein halbes Jahr lang unentdeckt geblieben ist (hier wurde ganz offensichtlich nicht agil gearbeitet), analysieren wir nun die umgesetzen Storypoints. Wenn man die oben beschriebenen drei Fehler begeht und das Team hat pro Sprint 40 Storypoints umgesetzt ergeben sich also (auf 20 Wochen gerechnet) 800 Storypoints.

Stimmt aber nicht: In Wahrheit hat das Team keinen einzigen Storypoint umgesetzt - das ist völlig wertungsfrei und einfach objektiv, denn egal wie viel Zeit und Arbeit das Team im besten Bemühen um die Umsetzung des Features investiert hat, es ist nutzlos. Es bringt für keinen Stakeholder irgendeinen Wert.

Zusammenfassung

  1. Storypoints messen die Performance des Produkts - nicht die Performance des Entwicklungsteams.
  2. Storypoints messen die Komplexität eines Features - nicht den Zeitaufwand der Umsetzung.
  3. Storypoints sind kein Mittel für das langfristige Produktmanagement.